MAL NACHDENKEN...

Was kostet ein Stückchen Kunst, bitte ?

Ich sitze mit meinen Malsachen im Park auf einer Bank in der Sonne und genieße den Augenblick. Eine kleine Gruppe Menschen kommt vorbei und lässt sich nieder. „Oh. Na sowas, eine Künstlerin, wie interessant“, sagt der erste. „Malen Sie mir doch bitte bitte einen bunten Fisch! Ich liebe Fische.“ Ich greife ein Blatt meines besten handgeschöpften Büttenpapiers, tauche beherzt den Pinsel in die Aquarellfarben und male liebevoll und lächelnd einen ganz besonders farbenfrohen Fisch für ihn. Der Mensch strahlt mich an und sagt glücklich: „Oh, wie wundervoll, also wirklich. Dieser Fisch gefällt mir ganz ausgezeichnet. Er stimmt mich richtig froh, wenn ich ihn betrachte. Genau so mag ich ihn. Was kostet er?“ Ich nenne meinen Preis: 100 Euro.

Mein Gegenüber rutscht ein Stück zur Seite und antwortet mit missmutigem Blick: „Na ja, so schön ist er dann vielleicht ja doch nicht. Schauen Sie, das Auge ist ein wenig zu groß geraten und überhaupt, was für ein Fisch soll das denn sein? Und hier oben, ganz links am Rand, ist ein kleiner Farbspritzer auf dem Papier. Und er ist wirklich schon extrem bunt, meinen Sie nicht auch? Unter diesen Umständen zahle ich nicht mehr als die Hälfte, also 50 Euro maximal.“ Nun kommt ein weiterer Mensch hinzu und spricht: „Was? Das wollen Sie für diesen Fisch bezahlen? Schauen Sie, hier ist doch nicht mal Glitzer drauf. Wissen Sie, die Freundin der Cousine des Schwagers meiner Nachbarin zur Linken, also, die malt ganz tolle Bilder, da ist sogar Glitzer drauf, das glänzt so richtig in der Sonne. Fragen Sie die doch mal, ob die Ihnen einen Fisch malt. Die macht das ganz günstig nebenbei. Hierfür würde ich keinesfalls mehr als 25 Euro geben, hier glitzert wirklich gar nichts.“

„Warten Sie, warten Sie“, ruft ein Dritter und tritt gewichtig hinzu. Er holt tief Luft und legt los. „Soviel Geld für ein bisschen Papier mit Wasser und Klecksen drauf? Also ehrlich, das kostet doch nicht so viel. Schauen Sie, hier gegenüber im Discounter, gleich da drüben. Da bekomme ich für gerade mal 5 Euro gleich einen ganzen Farbkasten, zusammen mit Pinsel und Papier.  Und das Ganze hat ja auch gerade mal 10 Minuten gedauert. Das ging doch ganz schnell, das habe ich genau beobachtet. Unverschämt sowas. Sitzt hier in der Sonne und lässt sich noch dafür bezahlen. Unsereins muss hart arbeiten für sein Geld. Also mit 12 Euro wäre die Dame doch wirklich mehr als gut bedient, darüber kann sie doch nun wirklich froh und dankbar sein.“ „Moment mal, ihr alle“, schlurft ein Vierter herbei und mustert mich kritisch mit zusammengekniffenen Augen durch die Lesebrille. „Habe ich Sie nicht Montagabend im Fernsehen gesehen? Waren Sie nicht in diesem Beitrag über die Art Cologne in Köln? Eine grossartige Ausstellung, also wirklich. Aber nein? Das waren Sie gar nicht?! Na, aber wenn Sie gar nicht berühmt sind, wie können Sie dann soviel Geld verlangen? Wissen Sie was? Sie geben mir jetzt 20 Euro und dafür hänge ich Ihr Bild einen Monat bei mir in die Werkstatt ins Büro. Da kommen täglich viele Kunden vorbei. Das ist doch eine ganz tolle Werbung für Sie. Das wird Ihnen gut tun, Geben Sie schon her…“

Ich packe langsam meine Sachen zusammen als ein Kind sich nähert, das eine Weile bei uns in der Nähe auf der Wiese gespielt hat. Es hebt einen dicken Stock auf und malt mit wenigen kräftigen Strichen eine dicke runde Katze in den Sand zu unseren Füßen. „Hier.“, sagt es, „Diese Katze hat einen Fisch gefressen. Sie ist nun satt. Das Bild schenke ich euch, dann braucht ihr euch nicht mehr zu streiten.“ Dann dreht es sich um und hüpft munter weiter. Jetzt lächle ich wieder und mache mich ebenfalls auf den Heimweg. Zusammen mit meinem Fisch…




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